Bosch setzt auf den Wasserstoffantrieb. Elektroautos seien zwar wichtig, um die CO2-Emissionen im Verkehr zu senken. Doch stellt sich die Frage, ob es auch wirtschaftlich ist, schwere Nutzfahrzeuge mit 40 t Nutzlast über lange Distanzen batterieelektrisch zu betreiben? Erfahren Sie nachfolgend, warum Bosch die Technologie weiterentwickelt und welches Portfolio der Globalplayer hierfür bietet:
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17.11.2021 | Bosch erweitert sein Produktportfolio für mobile Wasserstoffantriebe. Es wird um Komponenten für H2 Tanksysteme wie Tankventile oder Druckregler ergänzt. Dazu arbeitet Bosch mit dem italienischen Unternehmen OMB Saleri in einer Entwicklungspartnerschaft zusammen. „Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein im künftigen Antriebsmix, um die Klimaneutralität zu erreichen“, sagt Dr. Uwe Gackstatter, Vorsitzender des Geschäftsbereichs Powertrain Solutions bei Bosch. „Zusammen mit OMB Saleri machen wir H2 Tankkomponenten reif für die Großserie.“
Der Bedarf an Antrieben für Wasserstoffautos wird in den kommenden Jahren insbesondere bei Nutzfahrzeugen stark steigen. Bosch geht davon aus, dass 2030 weltweit rund jedes achte neu zugelassene Nutzfahrzeug eine Brennstoffzelle an Bord haben wird. Mit der Kooperation rund um Komponenten für Wasserstoff Tanksysteme wollen die Kooperationspartner ihre Marktpositionen im H2 Bereich ausbauen. Die Zusammenarbeit umfasst eine Lizenz- und Entwicklungsvereinbarung über mehrere Produkte für Wasserstoff Speicher in den Druckstufen 350 bar und 700 bar.
Komponenten für den Wasserstoffantrieb im Massenmarkt
Gemeinsame Simultaneous Engineering Teams entwickeln die bereits vorhandenen Produkte weiter und optimieren sie für die Großserien Herstellung mit dem Ziel, Komponenten für Wasserstoff-Tanks dauf Basis großer Stückzahlen wettbewerbsfähig anzubieten.
Die Kooperation führt das Know-how beider Partner zusammen. OMB Saleri aus Brescia in Norditalien gilt als einer der weltweit führenden Spezialisten von Komponenten für Wasserstoff-Speicherlösungen. Bosch profitiert als Paertner von der Entwicklungskompetenz, der modernen Wasserstoff Testinfrastruktur und Wasserstoff Prüfplätzen sowie von Produkten, die in ersten Anwendungen bereits überzeugt haben. Im Gegenzug bringt Bosch ein globales Entwicklungs- und Fertigungsnetz für große Stückzahlen und seine Erfahrung in der Industrialisierung innovativer Produkte ein.
Bosch geht erheblich in Vorleistung, weil das Unternehmen vom Energieträger Wasserstoff überzeugt ist. Von 2021 bis 2024 investiert Bosch gut 600 Millionen Euro in mobile Anwendungen und 400 Millionen Euro in Anwendungen für stationäre Strom- und Wärmeerzeugung. Das Portfolio für Fahrzeuge umfasst einzelne Sensoren, Kernkomponenten wie elektrische Luftverdichter, den Stack sowie komplette Brennstoffzellen Module.
Schon wegen des Gewichts der Batterien, ihren langen Ladezeiten und der begrenzten Reichweite ist der Elektromotor mit seinem heutigen Entwicklungsstand für Schwerlast Lkw nicht optimal. Selbst 40 Tonner werden in naher Zukunft rein elektrisch über tausend Kilometer unterwegs sein können. Brennstoffzellenautos ermöglichen einen klimaneutralen Transport von Waren und Gütern bei Einsatz von regenerativ erzeugtem Wasserstoff.
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Bosch entwickelt den Wasserstoffantrieb vor allem mit dem Fokus auf die Lkw. 2022/23 plant das Unternehmen damit in Serie zu gehen. Brennstoffzellen Antriebe von Bosch werden aber ausgehend von den Lkw künftig auch im Pkw vermehrt zum Einsatz kommen. Es gibt sieben gute Gründe dafür, dass Brennstoffzelle und Wasserstoff ein fester Bestandteil des Antriebsportfolios für die Mobilität der Zukunft sein werden:
In einer Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff (O2) aus der Umgebungsluft. Wasserstoff wird dabei in elektrische Energie umgewandelt. Diese wird für den Wasserstoffantrieb genutzt. Dabei entstehen zudem Wärme und Wasser (H2O).
Wasserstoff wird per Elektrolyse gewonnen. Hierbei werden Wasser mithilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt. Setzt man dabei regenerativen Strom ein, arbeitet die Brennstoffzelle völlig klimaneutral. Rechnet man den CO2 Ausstoß für Produktion, Betrieb und Entsorgung zusammen, ist die CO2 Bilanz bei großen bzw. schweren Fahrzeugen besser als beim Elektroantrieb. In Brennstoffzellenautos genügt parallel zum Wasserstofftank eine deutlich kleinere Batterie als Zwischenspeicher.
Dies senkt den CO2-Fußabdruck, der bei der Herstellung entsteht, wesentlich. „Die Brennstoffzelle spielt ihre Vorteile genau in den Bereichen aus, in denen der E-Antrieb nicht punkten kann“, erklärt Dr. Uwe Gackstatter, Vorsitzender des Bosch- Geschäftsbereichs Powertrain Solutions. „Brennstoffzelle und Batterie stehen daher nicht im Wettbewerb, sondern ergänzen einander perfekt.“
Wasserstoff bietet eine hohe Energiedichte. Ein kg H2 enthält so viel Energie wie 3,3 l Diesel. Für 100 km verbraucht ein Pkw etwa 1 kg, ein 40-Tonner benötigt gut 7 kg. Ein leerer Tank lässt sich mit Wasserstoff wie bei herkömmlichem Kraftstoff in wenigen Minuten auffüllen.
„Die Brennstoffzelle ist die erste Wahl für die große Reichweite, wenn täglich viele Kilometer und größere Lasten bewegt werden müssen“, fasst Gackstatter die Vorteile zusammen. In dem von der EU geförderten Projekt H2Haul baut Bosch derzeit mit anderen Unternehmen eine kleine Flotte von Lkw mit Brennstoffzelle auf und bringt sie auf die Straße.
Neben den mobilen Anwendungen entwickelt Bosch Brennstoffzellen Stacks für stationäre Anwendungen mit Festoxid-Brennstoffzelle-Technologie (SOFC). Diese sollen u. a. in Form kleiner dezentraler Kraftwerke in Rechenzentren, Städten und beim Betreiben von Ladesäulen für Elektroautos eingesetzt werden.
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Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, soll Wasserstoff künftig nicht nur Lkw und Pkw antreiben, sondern auch Flugzeuge, Züge und Schiffe. Selbst die Energiewirtschaft und Stahlindustrie planen mit H2.
Wie wirtschaftlich und klimafreundlich ein Antrieb ist, hängt u. a. von dessen Wirkungsgrad ab. Bei Fahrzeugen mit einem Brennstoffzellen Antrieb liegt dieser rund ein Viertel höher als bei jenen mit Verbrennungsmotoren. Zudem erhöht die Rückgewinnung von Bremsenergie die Effizienz zusätzlich.
Noch effektiver sind batterieelektrische Fahrzeuge, welche den Strom direkt im Fahrzeug speichern und als Vortrieb nutzen. Weil die Energieerzeugung und der Energieverbrauch aber nicht immer zeitlich oder räumlich zusammenfallen, bleibt von Windenergie und Solaranlagen erzeugter Strom oft ungenutzt. Er kann nicht gespeichert werden und findet dann keinen Abnehmer. Bei Wasserstoff ist das anders. Mit dem überschüssigen Strom lässt er sich dezentral erzeugen, flexibel speichern und transportieren.
Sobald größere Produktionskapazitäten aufgebaut werden und die Preise für regenerativen Strom sinken, werden auch die Kosten für die Herstellung von grünem Wasserstoff deutlich sinken. Der Verband Hydrogen Council mit über 90 internationalen Unternehmen erwartet bei vielen H2 Anwendungen in den nächsten zehn Jahren, dass sich die Kosten halbieren. Damit wird die die Wettbewerbsfähigkeit der Brennstoffzelle gegenüber anderen Technologien steigen.
Grüner Wasserstoff auf dem Vormarsch in Deutschland
Das Herzstück der Brennstoffzelle ist der Stack. Bosch entwickelt derzeit mit dem Start-up Powercell ein Stack zur Marktreife. Anschließend soll er in Serie gefertigt werden. Das Ziel ist eine leistungsfähige, kostengünstig herstellbare Lösung. „Mittelfristig wird die Nutzung eines Fahrzeugs mit Brennstoffzelle nicht teurer sein als mit einem konventionellen Antrieb“, sagt Gackstatter.
Ein Netz an Wasserstofftankstellen gibt es derzeit noch nicht flächendeckend. Allerdings decken die rund 180 Wasserstofftankstellen in Europa bereits einige wichtige Transportstrecken ab.
Zum weiteren Ausbau der Infrastruktur arbeiten Unternehmen vieler Länder zusammen. Sie werden dabei oft durch staatliche Fördermittel unterstützt. Auch in Deutschland hat die Politik die Rolle von H2 als wichtigen Defossilisierungspfad erkannt und in der Nationalen Wasserstoffstrategie verankert.
So wird das Gemeinschaftsunternehmen H2 Mobility beispielsweise in Deutschland bis Ende 2020 rund 100 frei zugängliche Tankstellen errichten. Im EU-geförderten Projekt H2Haul sollen neben den Lkw auch die erforderlichen H2 Tankstellen auf den geplanten Routen aufgebaut werden. In Japan, China oder Südkorea gibt es ebenfalls umfassende Förderprogramme.
Der Einsatz von gasförmigem Wasserstoff in Fahrzeugen ist sicher und nicht gefährlicher als Batterien oder andere Treibstoffe für Automobile. Auch geht von Wasserstofftanks keine erhöhte Explosionsgefahr aus. Zwar brennt H2 in Verbindung mit Sauerstoff und ab einem bestimmten Verhältnis ist ein Gemisch explosiv.
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Aber H2 wiegt etwa 14-mal weniger als Luft und ist daher extrem flüchtig. Tritt Wasserstoff zum Beispiel aus einem Fahrzeugtank aus, steigt es schneller auf, als es sich mit dem Sauerstoff in der Umgebung verbinden kann. US-Forscher haben zwar 2003 in einem Feuertest bei einem Brennstoffzellen Fahrzeug eine Stichflamme erzeugt. Diese ist aber schnell wieder verloschen und das Fahrzeug blieb weitgehend unversehrt.
Die Erzeugung von Wasserstoff ist technologisch beherrschbar und bewährt. Bei entsprechender Nachfrage könnte die Herstellung schnell hochgefahren werden. Auch ist die Brennstoffzelle technologisch soweit entwickelt, dass sie zur Industrialisierung und Massenanwendung in den Startlöchern steht.
Entsprechende Investitionen und politischer Wille vorausgesetzt, kann die Wasserstoffwirtschaft dem Hydrogen Council zufolge in den kommenden zehn Jahren wettbewerbsfähig werden. „Die Zeit für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft ist jetzt“, sagt Gackstatter.
26.08.2020 | Das Start-up Nikola Motors aus Arizona möchte mit dem Wasserstoffantrieb im Lkw das Transportwesens klimaneutral machen. Bosch hilft dabei, den Brennstoffzellenantrieb für Trucks massentauglich zu machen.
29.04.2019 | Bosch steigt in den Markt für mobile Brennstoffzellen ein und bereitet den Durchbruch der Technik für Lkw und Pkw vor. Wesentlich dafür ist der Stack, der als Herzstück einer Brennstoffzelle Wasserstoff in elektrische Energie wandelt. Zur Weiterentwicklung und Produktion von Stacks ist Bosch jetzt eine Kooperation mit Powercell Sweden AB, Hersteller von Brennstoffzellen-Stacks, eingegangen.
Die Vereinbarung sieht vor, dass beide Partner den Stack auf Basis der Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEM) gemeinsam zur Serienreife weiterentwickeln und Bosch in Lizenz die Technik für den weltweiten Automotive-Markt in Serie fertigt. Der Stack ergänzt das Portfolio an Brennstoffzellen Komponenten und soll spätestens 2022 auf den Markt kommen.
Für Bosch liegt im Geschäft mit mobiler Brennstoffzellen-Technik langfristig Potenzial in Milliardenhöhe. Bis 2030 werden nach Bosch-Schätzung bis zu 20 % aller Elektrofahrzeuge weltweit mit Brennstoffzellen angetrieben. Die besten Chancen für einen breiten Einsatz der Brennstoffzellen-Technik sieht Bosch im Nutzfahrzeug-Markt. Die Flottenvorgaben der Europäischen Union für Lkw sehen bis 2025 eine Minderung der CO2 Emissionen um im Schnitt 15 %, bis 2030 um 30 % vor.
Bosch stellt aus auf der Hannover Messe 2022.
Technisches Allgemeinwissen
Im Zusammenhang mit der Brennstoffzelle ist der Stack ein Stapel aus Brennstoffzellen. Er generiert elektrische Energie, mit der Wasserstoffautos angetrieben werden. In den in Serie geschalteten Brennstoffzellen wird mittels kalter Verbrennung chemische Reaktionsenergie von Wasserstoff und Sauerstoffs aus der Luft in elektrische Energie umgewandelt. Daraus entstehen Wasser, Strom und Wärme. Es werden keine Schadstoffe hinterlassen. Somit ist der Wasserstoffantrieb klimaneutral.