Bislang verfolgten die Steckverbinder Hersteller beim M12 Stecker mit Push Pull Verriegelung unterschiedliche Ansätze. Jetzt gibt es eine neue Norm, die sie zusammenbringen kann. Dirk-Peter Post von Harting und Jürgen Sahm von Phoenix Contact erläutern in einem Interview den Stand der Dinge und das Potenzial der IEC 61076-2-010, endlich einen brancheneinheitlichen Standard zu setzen.
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Mit der IEC 61076-2-010 hat die Industrie jetzt endlich ein branchenweit einheitliches System. Das sagen Dirk-Peter Post, Head of Global Product Management Circular Interface Connectors bei Harting Electronics und Jürgen Sahm, Senior Specialist Product Marketing Circular Connectors bei Phoenix Contact.
Erst im Frühsommer hatten Harting, Phoenix Contact, Murrelektronik, Molex, Binder, Conec, Escha und Weidmüller bekannt gegeben, einen neuen Standard für die Push-Pull-Verriegelung der M12-Steckverbinder am Markt etablieren zu wollen. Das Ziel der herstellerübergreifenden Kompatibilität soll mit der 2020 veröffentlichten Norm bald umgesetzt werden.
Jürgen Sahm: „Dieses Thema wird seit Jahren im Markt diskutiert. Verschiedene proprietäre Lösungen haben dabei punktuell zu Erfolgen geführt, ein Marktstandard konnte in der Vergangenheit jedoch nicht erzielt werden. Der Wunsch nach einem einheitlichen, standardisieren System ist aber nie verstummt und heute aktueller denn je. Der neue Ansatz M12-Steckverbinder mit Push Pull Schnellverriegelung bietet jetzt das Potenzial für einen herstellerübergreifenden Marktstandard. Die Reichweite einer einheitlichen Technologie ist immens und bedeutend für viele Zweige der Industrie.“
Welche Vorteile bietet eine Push Pull Verriegelung beim M12 Stecker?
Dirk Peter Post: „Die Verriegelung mittels Push Pull bringt eine hohe Zeitersparnis von circa 80 Prozent beim Anschließen der Automatisierungstechnik, da ein Verschrauben nicht mehr erforderlich ist. Auf das Jahr hochgerechnet lassen sich so enorme Einsparpotenziale in der Montage realisieren. Durch das verbesserte Handling können Geräteports zudem kompakter angeordnet werden, was dem Wunsch nach Miniaturisierung und wirtschaftlicher Verkabelung entspricht. Neben der Zeitersparnis entfällt die Überprüfung des korrekten Anzugsmoments der Verriegelung mittels Drehmomentschlüssel. Der Anwender erhält ein akustisches Feedback, das die korrekte Verriegelung anzeigt. Somit haben wir eine einfache, schnelle und sichere Verriegelung.“
Jürgen Sahm: „Es gibt eine Norm, die sämtliche Ausführungsformen für einen M12 Push Pull Standard beschreibt. Die IEC 61076-2-010 umfasst eine Innen- und eine Außenverriegelung mittels Push Pull. Sie enthält damit alle Varianten, die für eine durchgängige Systemlösung im Umfeld der Automatisierung Anwendung finden. Somit kann die IEC 61076-2-010 als Erweiterung des bewährten M12 Stecker Standards mit Schraubverriegelung gesehen werden, wie er in der Basisnorm IEC 61076-2-101 beschrieben wird.
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Der Clou ist, dass die einzige Änderung zum etablierten M12-Stecker darin besteht, dass das M12 Gewinde um einen Einstich ergänzt wird und gleichzeitig die bewährten Eigenschaften des M12 Vollgewindes beibehalten werden. Dadurch können die Geräte mittels eines sogenannten M12 Duo-Ports universal ausgerüstet werden und sind zukünftig wahlweise mit Push Pull oder mit den am Markt weit verbreiteten M12 Schraubsteckverbindern anschließbar. Beide Anschlüsse sind also möglich. Sogar Verlängerungen der Leitungen durch fliegende Push Pull Kupplungen sind mit marktüblichen Standardkomponenten konfektionierbar.“
Gibt es noch weitere Konzepte und Normen zum M12 Stecker mit Push Pull?
Dirk Peter Post: „Neben der IEC 61076-2-010 gibt es auch noch die IEC 61076-2-012, die eine Push Pull Innenverriegelung beschreibt. Die IEC 61076-2-012 entstand aus Konzepten vorhandener, nicht genormter PP-Industrie Steckverbinder, die in das M12 Format hinein konstruiert wurden. Deshalb gibt es keine homogene Integration in die M12 Stecker Welt.“
Wie unterscheiden sich diese Normen im weiteren Vergleich?
Jürgen Sahm: „Obwohl beide Normen dem gleichen Zweck der Schnellverriegelung dienen, sind sie doch sehr verschieden. Die IEC 61076-2-010 basiert auf dem Vollgewinde aus der Ursprungsnorm IEC 61076-2-101. Somit lässt sie den Weltstandard für Automatisierungskomponenten in seiner bekannten Form unangetastet. Hingegen wurde bei der IEC 61076-2-012 das Gewinde durch drei Segmente unterbrochen. Die Gewindeunterbrechungen sind notwendig, damit die drei Rasthaken des Kabel Steckers durch das Gewinde in die Rastposition eintauchen können. Solche Systeme erfordern es, dass die Winkelzuordnung zwischen Push Pull Mechanismus und Kontaktträger bei der Geräteintegration sehr genau eingehalten wird. Ansonsten würde der Push Pull Stecker blockiert und wäre nicht mehr in den Port steckbar.
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Die Lösung auf Basis der IEC 61076-2-010 erfordert keine Gewindeunterbrechung, weil die Rastkontur an den Anfang des M12 Gewindes gelegt wurde. Sie kann als Einstich auf einfache Art bei der Gewindeherstellung im Standardprozess realisiert werden. Das macht das Design-in für den Gerätehersteller besonders einfach. Die Gerätesteckverbinder sind genau wie beim bewährten M12 Stecker Standard rotationssymmetrisch ausgelegt. So muss die Push Pull Mechanik des Geräteports nicht zur Kodierung des M12 Kontaktträgers ausgerichtet werden.
Das gibt dem Gerätehersteller einen hohen Freiheitsgrad zur einfachen und wirtschaftlichen Gestaltung der Kabel Abgänge der Ports. Die M12 Basisnorm -101 und die Push-Pull-Norm -010 sind auch bezüglich der Design-in-Anforderungen konsistent. Sie arbeiten sozusagen im Gleichschritt. Das geht soweit, dass ein herkömmlicher M12 Port mit Standardgewinde durch einen kompatiblen Duo-Port mit Push Pull austauschbar ist – ohne konstruktiven Eingriff in die Gerätekonstruktion und nachträglich bei bestehenden Gerätekonzepten.
Hinzu kommen noch weitere Vorteile: Zum Beispiel können die Push Pull Verriegelungselemente in Metall oder Kunststoff ausgeführt werden. Die kostengünstigen Push Pull Steckverbinder aus Kunststoff sind in erweiterten Applikationen wie der Agrarindustrie oder Chemieindustrie einsetzbar.“
Dirk Peter Post: „Ja, die gibt es. Die acht auf M12 Stecker spezialisierten Hersteller Weidmüller, Escha, Conec, Murrelektronik, Molex, Binder, Harting und Phoenix Contact haben sich für die Unterstützung der IEC 61076-2-010 ausgesprochen. Die Hauptgründe dafür sind die herstellerübergreifende Funktionssicherheit und wirtschaftliche Herstellbarkeit durch die Nähe zur Basisnorm -101 und eine einfache Integration ins Gerät ohne große Aufwände bei Design-in. Ebenfalls spielen die schnelle und breite Verfügbarkeit des neuen Push Pull Systems und die Investitionssicherheit durch eine breite Unterstützung der Hersteller eine große Rolle.
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Aus diesen Gründen fließt die DNA der M12 Stecker Basisnorm (-101) in die 010 unverändert ein und wird mit dem Know-how der oben genannten M12 Stecker Hersteller zu einem neuen globalen Standard fortgeschrieben.
Weil sich die Hersteller nicht nur normativ, sondern auch in der Praxis einer abgesicherten Hersteller übergreifenden Austauschbarkeit des Push Pull Systems verschrieben haben, kann sich der Anwender eines wie vom M12 Stecker Standard gewohnten breiten, technisch ausgereiften Produktportfolios mit allen Vorzügen des Multi Sourcing bedienen.“
Jürgen Sahm: „Proprietäre Lösungen mit erhöhtem Aufwand beim Design-in haben heutzutage keine Chance in der Industrie. Einfache, standardisierte Lösungen, die einer durchgängigen Systemtopologie folgen, sind das Gebot der Stunde. Diesem übergreifenden Gedanken haben sich die acht Hersteller verschrieben. Die Botschaft ist, dass sich die M12 Standardnorm und die Push Pull Norm in weiten Teilen decken und alle in der industriellen Verdrahtung mit M12 erforderlichen Varianten enthalten. Durch den einfachen Einstich muss der Design-in-Prozess nicht geändert werden. So einfach ist der Schritt zum Push Pull.“