Die Baubranche braucht viele fleißige Hände. Denn in vielen Bereichen ist beim Bauen Handarbeit immer noch Standard. Ein typisches Beispiel ist das monotone und kräftezehrende Zuschneiden von Baustahlmatten. Terhoeven hat die Automatisierung dieser Arbeit mit einer Hambi Anlage in Angriff genommen und setzt dabei auf die Technik von Mitsubishi Electric und das Automatisierungs-Know How von Orgassa. Entstanden ist eine innovative Anlage, die es so auf dem Markt noch nicht gibt.

Mitsubishi Electric Hambi Baustahlmatten

Inhalt

 

Herstellung der Baustahlmatten

Mitsubishi Electric Baustahlmatten GreiferBei der Herstellung von Betonstahlmatten wird zunächst Stahldraht von einem Coil abgewickelt und gerichtet. Dabei erhalten die Drähte auch ihre typische Rippung. Anschließend verschweißt eine automatisierte Maschine die Drähte zu einer Matte mit Quer- und Längsstäben. Um eine optimale Anlagenauslastung zu erreichen, produziert die Schweißmaschine die Matten im Maximalformat. Da auf der Baustelle in der Regel kleinere Formate verwendet werden, müssen die Matten auf das passende Maß zugeschnitten werden.

Dieser Vorgang war in der Vergangenheit sehr personalintensiv, da es keine automatisierte Lösung gab. Bis zu sechs Personen sind nötig, um die schweren Matten zu heben und auf der Schneidemaschine zu positionieren. Beim anschließenden Stapeln muss jede zweite Matte gewendet werden, um die Stapelhöhe zu reduzieren. Es wird immer schwieriger, Personal für diese anstrengende und monotone Arbeit zu finden. Das Unternehmen van Merksteijn International B. V., das täglich einen Bedarf von 3400 t Betonstahl verarbeitet, suchte daher nach einer automatisierten Lösung.

Auf die Baustahlmatte spezialisiert

Mitsubishi Electric Hambi AnlageFündig wurde das Unternehmen bei der Terhoeven GmbH & Co. KG, die unter der Marke Hambi Maschinenbau Lösungen für diesen Bereich anbietet. Das bereits 1908 als Dorfschmiede gegründete Unternehmen wird heute in vierter Generation von Stephan Terhoeven geführt: „Seit 2006 konzentrieren wir uns ganz auf den Maschinenbau und haben unsere anderen Geschäftsfelder in der Land- und Agrartechnik aufgegeben“.

Mit rund 30 Mitarbeitern bietet Hambi verschiedene Maschinen zum Handhaben, Schneiden und Biegen von Baustahlmatten an. Das Spektrum reicht von kleinen Biegebänken, die auf Baustellen eingesetzt werden, bis hin zu großen Maschinen für Eisenbiegereien und Mattenhersteller.

Im Auftrag von van Merksteijn International B. V. entwickelte der Maschinenbauer eine Anlage, die das Handling, Schneiden und Stapeln der Baustahlmatten vollautomatisch durchführt. Die ASA (Automatische Schneidanlage) vereinzelt zunächst die oberste Matte des Stapels, hebt sie an und transportiert sie zur Einschubeinheit.

Die Einschubeinheit schiebt die Matte in die Schlagschere, bis das eingestellte Längenmaß erreicht ist. Anschließend schneidet die Schlagschere die Matte und der Mattenausschub transportiert das geschnittene Teilstück zum Mattenwender. Im letzten Schritt stapelt die Anlage die Matten. Dabei dreht der Mattenwender jede zweite Matte. Durch diesen Drehvorgang wird die Stapelhöhe minimiert, da die Teilstücke ineinander verschachtelt werden.

Vereinzeln und Anheben der Matten – eine Herausforderung

Mitsubishi Electric Terhoeven Orgassa

Das Abheben der obersten Matte vom Stapel erscheint zunächst relativ einfach. „Für die Automatisierung ist dieser Schritt aber eine große Herausforderung“, erklärt Stefan Broeckmann, der bei dem Maschinenbauer für Konstruktion und Entwicklung zuständig ist. Die Fertigungstoleranzen der Baustahlmatten liegen im Zentimeterbereich, für das Handling ist aber eine Genauigkeit von unter einem Millimeter erforderlich. Außerdem liegen die einzelnen Matten nicht ordentlich im Stapel. Für die Automatisierung beauftragte das Unternehmen die Orgassa GmbH.

„Uns verbindet eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Stephan Terhoeven. Der erste wichtige Schritt ist die Ermittlung der tatsächlichen Lage der Matte und damit der Greifpunkte, an denen die Greifer die Matte anheben können. Marc Orgassa, Geschäftsführer der Orgassa GmbH, erläutert das Verfahren: „Eine Kombination aus Bildverarbeitung mit moderner Kameratechnik und Lasersensoren erkennt die tatsächliche Lage der Greifpunkte, so dass die Matten zielgenau gegriffen werden können“. Die dafür eingesetzte 3D-Bildverarbeitung wurde komplett von der Orgassa GmbH programmiert.

Wenn die insgesamt sechs Greifer die Baustahlmatte anheben, stellt sich die nächste Herausforderung. Beim Anheben biegt sich die Matte durch, wodurch horizontale Kräfte auf die Hebevorrichtungen wirken. "Um dies auszugleichen, müssen die Abstände zwischen den einzelnen Aufnahmepunkten korrigiert werden", erklärt Marc Orgassa. Deshalb sind für jeden der sechs Punkte drei separat arbeitende Antriebe notwendig, um die Greifer in alle drei Raumrichtungen bewegen zu können. Im Betrieb müssen die Antriebe präzise und synchron angesteuert werden.

Antriebs- und Automatisierungstechnik aus einer Hand

Mitsubishi Electric Hambi ServoverstaerkerUm die Verformung der Matten beim Heben auszugleichen, sind 18 Antriebe für das Hubwerk erforderlich, hinzu kommen vier weitere Antriebe für den Transport der Matten innerhalb der Anlage und das Wenden vor dem Abstapeln. Zum Einsatz kommen jeweils Servoantriebe von Mitsubishi Electric mit entsprechenden Servoverstärkern.

Die Motoren der Baureihe MR-J5 sind sehr kompakt und bieten eine hohe Dynamik. Die zugehörigen Servoverstärker lassen sich über Zwischenkreise koppeln - die Bremsenergie eines Antriebs kann so direkt für einen anderen Antrieb genutzt werden. Auch eine Netzrückspeisung ist mit den Servoverstärkern möglich. Insgesamt kann so eine hohe Energieeffizienz in der Anlage erreicht werden. „Mit dem Motion Controller können wir die geforderte Synchronität der Antriebe optimal umsetzen“, nennt Marc Orgassa einen wichtigen Grund für die Entscheidung für dieses System.

Auch alle anderen Komponenten der Automatisierungstechnik stammen von Mitsubishi Electric. Neben den Antrieben, die mit Servotechnik ausgestattet sind, kommen für einfache Förderaufgaben auch Frequenzumrichter vom Typ FR-E800 zum Einsatz. Und eine Sicherheits-SPS der Baureihe Melsec iQ-R steuert alle Abläufe in der Anlage. Ergänzt wird diese durch drei C-Controller, die mit einem Linux-Betriebssystem ausgestattet sind. Auf diesen separaten CPUs läuft vor allem die Bildverarbeitung, die mittels Kamera und Sensoren die Aufnahmepunkte der Baustahlmatten ermittelt.

„Die Kommunikation über CC Link IE TSN ist für uns besonders wichtig“, erklärt Marc Orgassa, „weil wir damit die Synchronität der verschiedenen Anlagenkomponenten und der Steuerungen mit den Antrieben sicherstellen können.“ Das ist eine wichtige Voraussetzung, denn die Bildverarbeitung benötigt natürlich die exakten Positionen der Greifer. Als Protokoll kommt CC Link IE TSN zum Einsatz, das neben Echtzeitfähigkeit auch die notwendige sicherheitsgerichtete Kommunikation ermöglicht. Mit der Gi-Gabit-Bandbreite, die der offene Standard CC-Link IE TSN bietet, lässt sich die Kommunikation von Steuerung, Motion Control und Safety problemlos in ein Netzwerk integrieren.

Auch die Absicherung der elektrischen Versorgung der gesamten Anlage erfolgt mit einer Komponente von Mitsubishi Electric: Hier kommt ein Leistungsschütz vom Typ SD-T100 zum Einsatz.

Arbeitssicherheit im Fokus

Mitsubishi Electric Hambi HMIBeim Handling der schweren Baustahlmatten muss die Automatisierungs-Technik die Sicherheit des Bedienpersonals gewährleisten. Deshalb werden alle Komponenten in Safety-Ausführung eingesetzt. Dies betrifft neben der Safety-SPS auch die Servoantriebe, die ebenfalls sicherheitsgerichtet überwacht werden. Bei einem Stromausfall in der Anlage bleibt der Antrieb auf jeden Fall in einer sicheren Position stehen.

Die Position wird zusätzlich mit Encodern - ebenfalls in Safety-Ausführung - überwacht. Gleiches gilt für die kompakten digitalen E/A-Module vom Typ NZ2GN, die verschiedene Schalter und Sensoren in der Anlage mit der SPS verbinden. Um den potenziell gefährlichen Zugang zur Anlage während des Betriebs zu verhindern, ist ein Sicherheitszaun inklusive Sicherheitstür und zwei Lichtgittern installiert. „Insgesamt erreichen wir mit allen Sicherheitseinrichtungen Performance Level c und in Teilbereichen Performance Level d“, betont Stefan Broeckmann.

Bedienung durch nur eine Person

Mitsubishi Electric Hambi HMI GOTDie Bedienung der ASA erfolgt über ein GOT-Bediengerät von Mitsubishi Electric. Neben dem Touch-Display sind jedoch auch einige Taster und Schalter integriert, um die Bedienung mit Handschuhen zu erleichtern.

Die Programmierung der Bedienoberfläche und der Visualisierung erfolgte durch Marc Orgassa in der Programmierumgebung iQ Works. Das Softwarepaket ermöglicht eine effiziente systemübergreifende Programmierung aller Automatisierungs-Komponenten von den Antrieben über die Safety-SPS bis hin zum Bediengerät. „Lediglich die Software für die Bildverarbeitung haben wir in C programmiert“, nennt Marc Orgassa eine Ausnahme.

In der Bedienoberfläche gibt es vier verschiedene Ebenen für unterschiedliche Benutzer. Neben der Nutzung des aktiven Programms und der Bedienung im Routinebetrieb gibt es einen Einrichtmodus, in dem die Parameter für eine neue Mattengröße eingegeben werden. In der vierten Ebene können Grundeinstellungen vorgenommen oder Fehler gesucht werden.

Das Umrüsten der Anlage, z. B. auf eine neue Mattengröße, ist mit dem GOT-Bediengerät sehr einfach. Nur wenige Tätigkeiten müssen beim Einrichten von Hand ausgeführt werden. Dazu gehören das Verstellen des Breitenanschlags in der Ablage oder das Wechseln der Greifer für zwei unterschiedliche Stabdurchmesserbereiche. Um die Anlage während des Einrichtens oder zur Fehlersuche auch innerhalb des Schutzzaunes bedienen zu können, ist ein mobiles GOT-Bediengerät vorgesehen. Damit kann die Anlage nur im sicheren Betrieb mit reduzierter Geschwindigkeit verfahren werden.

Anlage erfolgreich in Betrieb genommen

Nach einer Entwicklungszeit von knapp zwei Jahren konnte die erste Anlage im Frühjahr 2024 beim Kunden in Betrieb genommen werden. „Die ASA ist sechs Meter hoch und über 40 Meter lang“, macht Stefan Broeckmann die gewaltigen Dimensionen deutlich. Warum man sich bei der Antriebs- und Automatisierungstechnik für Mitsubishi Electric entschieden hat, erklärt Stephan Terhoeven ganz einfach: Wir setzen seit vielen Jahren Produkte von Mitsubishi Electric in unseren Maschinen und Anlagen ein und haben damit durchweg gute Erfahrungen gemacht. Und Marc Orgassa ergänzt: „Alle Komponenten aus einer Hand zu nutzen, ist aus unserer Erfahrung sehr sinnvoll. Und mit dem aktuellen Portfolio von Mitsubishi Electric können wir die Echtzeitkommunikation, die Synchronisation der Antriebe und die Sicherheitsanforderungen einfach umsetzen.“

Nachdem der Maschinenbauer mit der erfolgreichen Automatisierung des Zuschnitts von Baustahlmatten eine Weltneuheit präsentiert hat, arbeitet er bereits an den nächsten Schritten. So ist eine Maschine geplant, die Baustahlmatten zu Körben in verschiedenen Geometrien und Größen biegen kann, die auf der Baustelle zur Herstellung von Säulen, Trägern oder Stürzen verwendet werden – natürlich wieder vollautomatisiert. „Bei der Automatisierungstechnik werden wir dann sicher wieder auf die Firma Orgassa und die Systeme von Mitsubishi Electric setzen“, sagt Stephan Terhoeven.

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Autorenangabe
Dr. Jörg lantzsch

Dr. Jörg Lantzsch ist Fachjournalist und Inhaber der Angentur Dr. Lantzsch in Wiesbaden.