Wie viele Gänge sind genug oder wie können Autos effizienter und sparsamer werden, ohne dass Fahrer auf Fahrspaß verzichten müssen? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt des 11. Internationalen CTI Symposiums „Innovative Fahrzeug-Getriebe, Hybrid- und Elektroantriebe“, welches vom 3. bis 6. Dezember 2012 in Berlin stattfand. Die Vielfalt der Konzepte für die verschiedenen Fahrzeugklassen in den einzelnen Ländern wird uns auch künftig erhalten bleiben. Wer die Autos künftig wie fahren wird, ist eine neue Herausforderung, der sich die Automobilisten neben CO2-Reduktion und Kraftstoffeinsparung stellen müssen. Denn die junge Generation setzt zunehmend auf individuelle Mobilität.
„Das 11. Getriebe-Symposium hat ganz klar gezeigt, dass man Antriebskonzepte finden muss, die möglichst kostengünstig und effizient sind. Sie müssen die verschiedensten Marktanforderungen der unterschiedlichen Länder erfüllen und werden zusätzlich komplexer durch die Elektrifizierung“, resümiert Prof. Dr.-Ing. Ferit Küçükay, Vorsitzender des Fachbeirats und Direktor des Instituts für Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig. „Wobei man um die Elektrifizierung nicht herum kommen wird“, schlussfolgerte er später nach den Vorträgen und Erkenntnissen des zweiten Tages. Neben den Präsentationen neuer Technologien, Produkte und Konzepte – insbesondere vieler neuer Hybridkonzepte – durch 110 nationale und internationale Referenten wurden den rund 1000 Teilnehmern in diesem Jahr auch die weltweiten Marktanforderungen erläutert. Sie haben zudem einen Überblick bekommen, wohin sich die Mobilität auf dieser Welt grundsätzlich entwickeln wird. Wie ein roter Faden zog sich die Frage nach der Anzahl der Gänge durch die Veranstaltung.
Küçükay eröffnete das Plenum mit der guten Nachricht, dass im Fahrzeuggetriebe- und Antriebssektor weiterhin Hochkonjunktur herrsche, weil der globale Automobilmarkt wachse und die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die CO2- und Energiediskussionen für eine „elektrisch geboostete“ Entwicklung hocheffizienter Antriebe sorgten. Das sei eine einmalige Entwicklung in der Automobilgeschichte. Allein in Deutschland investiere man in den nächsten vier Jahren zwölf Milliarden Euro in die Entwicklung alternativer Antriebe. Allerdings gehe nach den sehr hohen Erwartungen der Hype um die Elektromobilität deutlich zurück, was in den nächsten Jahren auch noch anhalten dürfte, so der Experte.
Für Dr. Tobias Lösche-ter Horst, Leiter Konzernforschung Antriebe bei Volkswagen, reicht es heute nicht mehr, nur die Effizienz der Aggregate mit beispielsweise innovativen aufgeladenen Downsizing-Motoren und Doppelkupplungsgetrieben zu steigern. Vielmehr möchte er Biokraftstoffe und erneuerbare Energien einbeziehen, da sie essentiell für eine nachhaltige Mobilität seien und sowohl den Flottenverbrauch als auch die Emissionen senkten. Aus seiner Sicht spielten zudem die Plug-in Hybride eine große Rolle bei der Einführung der Elektromobilität. Die Kunden erwarteten trotzdem vollen Komfort, niedrige Kosten, kurze Ladezeiten, Sicherheit, beste Qualität und Service und wollen keine Kompromisse eingehen, erläutert der Antriebsexperte und führt aus: In einem gemäßigten Szenario werde der globale Marktanteil von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren inklusive REEV (Range-Extended Electric Vehicles) und HEV (Hybrid-Elektrofahrzeuge) bis 2050 auf 45 Prozent sinken. Sollte der Marktanteil sich auf ein Minimum reduzieren, werden BEV (Batteriebetriebenes elektrisches Fahrzeug) und REEV einen Markanteil von 80 Prozent weltweit erhalten.
„Sind vier genug?“, fragte Dr. Günter Karl Fraidl von der AVL List und beantwortete sie auch gleich für die Motoren: „Vier Zylinder sind genug, aber sechs machen mehr Spaß“. Bei heutiger Motorentechnologie sei der Einsatz höherer Gangzahlen hinsichtlich Verbrauch und Fahrvergnügen sicher sinnvoll. Für künftige Motorentechnologien, speziell wenn sie sehr stark in Verbindung zur Getriebeentwicklung stehen, könne man die Anzahl der Gänge deutlich reduzieren. Für elektrifizierte Antriebsstränge stelle sich hingegen eher die Frage, ob es vier sein müssen oder nicht sogar nur zwei.
Dr. Gary J. Smith, Executive Director Global Research & Development General Motors Company (GM), berichtete, dass GM große Anstrengungen in Richtung individuelle Mobilität unternehme – ein Trend, der auf dem Symposium mehrfach thematisiert wurde. GM sieht die Urbanisation als große Herausforderung vor dem Hintergrund, dass in den Mega-Cities die Anzahl der Menschen auf einem Quadratkilometer dramatisch anwachse. „Wir befinden uns in einem sehr aufregenden Zeitalter, möglicherweise haben wir bis zum Jahre 2050 auf unserem Planeten neun Milliarden Menschen, die zwei Milliarden Autos fahren“. Eine globale Architektur sei notwendig und es gebe noch 50 Prozent Effizienz-Potenzial in den verschiedensten Antriebskonzepten zu erschließen. Mit dem eAssist bietet sein Unternehmen einen skalierbaren Multiple-Hybrid vom Kleinwagen bis zur Luxuskarosse.
Von Bernd Eckl, Excecutive Vice President Sales, Marketing, Business Development, und Didie Lexa, Chief Technology Officer, GETRAG International, wurde die Frage behandelt, wie viele Gänge die Getriebe für unterschiedliche Märkte benötigen. Beide sehen, dass das Doppelkupplungsgetriebe (DCT) seinen Marktanteil in den nächsten sechs Jahren verdoppeln wird, das Handschaltgetriebe (MT) die Nummer 1 weltweit in den nächsten Jahren bleiben werde und bei MTs wie AMTs 5 Gänge dominant bleiben. Ihrer Meinung nach sind für DCTs 7 Gänge bei einer Spreizung bis zu 8.5 für Hochleistungsdiesel und 7.5 für Benziner die beste Wahl, für Fahrzeuge mit geringerem Leistungsgewicht sehen sie eine Übersetzung von 7 mit nicht mehr als 7 Gängen.
Automatikgetriebe werden Marktanteile gewinnen, wobei der Anteil von 3-,4- und 5-Gängern stark abnehmen werde zugunsten vor allem der 6-, 8- und 9-Gänger und weiterhin die CVT Getriebe zulegen werden. Elektrische Getriebe würden nur um drei Prozent wachsen. Während die Getriebearchitektur noch bunter wird, glaubt Eckl, dass „wir einen Konflikt mit den Kosten bekommen werden. Die Spreizung hätte einen wesentlich signifikanteren Einfluss auf die Effizienz, als die Anzahl der Gänge, wesentlich mehr jedoch noch die Steuerung. Zu beachten sei weiterhin, dass unterschiedliche Märkte unterschiedliche Anforderungen hätten, die durch die verschiedenen Getriebetypen erfüllt würden.
Dieser Frage nahm sich die Podiumsdiskussion „Werteverschiebung – vom Motor auf das Aktivgetriebe“ an, welche die Teilnehmer per TED-Umfrage beantworteten. Das Fahrzeuggetriebe als Aktivgetriebe hat sich vom einfachen Drehmomentwandler zu einem Multifunktionssystem im Hybridantriebsstrang entwickelt. Ob es sich als Fahrzeuggetriebe künftig durchsetzen werde, hänge entscheidend damit zusammen, ob sich die Elektrifizierung des Antriebsstranges durchsetzt, so der Moderator Ulrich Walter.
Eine Million Elektrofahrzeugen weltweit - das sehen mehr als ein Drittel der Teilnehmer erst im Jahr 2020 realisierbar. Die Diskussion im Podium zeigte aber auch, dass die Verbrennungsmotoren in den verschiedensten Formen der Hybridisierung noch eine sehr lange Zeit Bestand haben. Der Kunde brauche noch Zeit, um sich an die Mehrkosten und die neue Technik zu gewöhnen, begründete Gerhard Henning, Centerleiter Getriebe und Antriebsstrang Pkw bei Daimler, dieses Ergebnis. Prof. Dr. Stefan Pischiner, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Direktor des Instituts für Thermodynamik an der RWTH Aachen, ist davon überzeugt, dass die Plug-in Hybride Mainstream werden, glaubt aber auch: „Wenn man mit dem Elektroauto die breite Masse erreichen will, muss man den Kunden erst die Angst vor der Begrenzung der Reichweite nehmen.“
Die Funktionsintegration der Elektrifizierung und eine Geschäftsidee aus neuen Konzepten entwickeln, sind nach Meinung der Teilnehmer die zwei größten Herausforderungen in der künftigen Getriebeentwicklung. Pischinger glaubt allerdings, es seien eher die Kosten: „Es gibt sehr viele Getriebe- und Integrationskonzepte. Man muss es jetzt allerdings schaffen, diese kostengünstig auf den Markt zu bringen.“ Die meisten der Anwesenden halten laut TED-Umfrage ihr Unternehmen für die kommenden Herausforderungen gerüstet. Gerd Bofinger, Leiter Getriebeentwicklung bei Porsche: „Zwischen den Motoren- und Getriebeentwicklern hat ein Strukturwandel hin zu mehr Zusammenarbeit stattgefunden“. Yo Usuba, Executive Vice President der Jatco Ltd., will die Einstellung seiner Ingenieure verändern, um ihnen mehr Verständnis für das große Ganze zu vermitteln. Man sei in dem Dilemma, CO2 zu reduzieren, dabei aber die Fahrleistung zu optimieren. Die Vorlieben je nach Getriebeart seien in den Ländern unterschiedlich verteilt: In der EU seien es eher Doppelkupplungsgetriebe (DCT) und Automatisierte Schaltgetriebe, in Japan dominierten stufenlose CVT-Getriebe, in den USA Automatikgetriebe. Es gebe bisher nicht die eine Getriebelösung für alle. Jatco seien zwei Dinge wichtig: Energie- und Antriebskraftmanagement.
Daimler ist einer der wenigen Automobilisten, die das Getriebe noch selbst entwickeln. Allerdings solle mit dem neuen Programm „Fit for Leadership“ bis 2014 zwei Millionen Euro eingespart werden – auch durch mehr Zulieferung von Komponenten. „Hierfür finden sich nur sehr schwer entsprechende Zulieferer“, so Henning und überhaupt gebe es in der Form, wie ihn Daimler bräuchte, keinen Zuliefermarkt. Aus Kostengründen müsse eine globale Harmonisierung der einzelnen Länder stattfinden und die Regionen sollten aufeinander zugehen, meinte Usaba, während Henning zu bedenken gab, dass es sehr schwer sei, Kulturen zu ändern.
Ob Getriebe künftig zugunsten des Motors aufgewertet werden, beantwortete der Saal größtenteils mit Ja. „Wir befinden uns in einem Krieg mit den Wirkungsgraden“, so Smith. Nach Bofinger müsse man alles tun, um das Potenzial des Verbrennungsmotors auszuschöpfen. Aus Sicht von Usuba komme immer noch zuerst der Motor und das Getriebe werde vergessen. Es sei aber wichtig, beides zu betrachten. Eine Aufwertung werde nach Pischinger schon deshalb stattfinden, weil man zunehmend vom einfachen Schaltgetriebe zum Automatikgetriebe übergehe, aber auch durch die Integration von weiteren Funktionalitäten wie beispielsweise die Hybridisierung. Die Komplexität des Motors werde weiter zunehmen, ein Beispiel sei die variable Verdichtung, so Pischinger weiter. Die Diskussion zeige, dass sich der Begriff Aktivgetriebe noch in der Definitionsphase befinde und noch nicht ganz klar sei, welche Funktionen ein Aktivgetriebe übernehmen solle. Dass das Getriebe alles steuere, kann sich Henning allerdings nicht vorstellen. Rolf Najork, Leiter Geschäftsbereich E-Mobility und R&D Getriebe, Mitglied der Geschäftsleitung Automotive, Schaeffler Technologies, sieht zwei unterschiedliche Philosophien beim Aktivgetriebe: die der europäischen Hersteller mit ihren komplizierten Motoren und Getrieben und die des japanischen Herstellers Toyota, der seine Motoren simplifiziere und das Getriebe mit dem elektrischen Aggregat ertüchtige. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Weg von Toyota hinsichtlich einer späteren Erweiterung zur Elektrifizierung eine bessere Ausgangsposition bietet“, so Najork.
Bei der Frage nach der Anzahl der Gänge entschieden sich 50 Prozent der Teilnehmer für sechs bis acht Gänge. Umweltbewusstsein mit 30 Prozent und Fahrspaß mit 23 Prozent waren schließlich die persönlichen Motivationsgründe der Teilnehmer, ein Fahrzeug zu kaufen, das mehr als 20 Kilometer elektrisch fahren kann.
Aus Korea sprach Sung-Ho Cho, Vice President der Hyundai Powertech, über das stark wachsende Automobilgeschäft in seinem Land, welches innerhalb kürzester Zeit seine technologische Unabhängigkeit erreicht habe. Korea sei führend in der Entwicklung von sauberem Diesel und die Automatikgetriebe seien auf dem Vormarsch, ihr Anteil betrage derzeit 95 Prozent. Dies liege unter anderem an der topographischen Situation Koreas – über 70 Prozent des Landes besteht aus Gebirge – der Zunahme weiblicher Fahrerinnen und nationalen Charakteristiken. Seit 2009 sei Korea die fünftgrößte Automobilindustrie weltweit: 2011 wurden 4.5 Millionen Fahrzeuge hergestellt, das seien rund sechs Prozent der globalen Produktion. Automatikgetriebe seien seit den 1990er der „Mainstream“, was Getriebe angehe. Künftige Forschungen müssten auf jeden Fall umweltverträgliche Vorgaben berücksichtigen, schloss der Forschungsleiter von Hyundai.
„Wenn sie es nicht selbst tun, dann werden es andere für sie tun“, warnte Philip Gott, Senior Director Long Range Planning & Sustainability Solutions IHS Global Insight, Inc. aus den USA die OEM dieser Welt. Gemeint ist die Reaktion auf das veränderte Kaufverhalten der Generation bis 40. Damit geht er auf ein neues Problem für die Automobilisten ein. Mit dem Ausspruch „Carsharing ist die Welt, wie sie sein sollte und nicht, wie sie einmal wird“, verstärkte er seine Warnung. Wenn sich bis 2030 die Anzahl der weltweit zugelassenen Fahrzeuge auf dann drei Milliarden verdoppeln werde, müsse man die Emissionen um den Faktor 4 reduzieren. Die neue Generation werde uns neue Probleme bereiten, und zwar solche, die jenseits der Probleme liegen, die wir glauben, heute lösen zu können wie CO2-Reduktion oder Kraftstoffeinsparung. In den USA teilen sich heute schon eine halbe Million Menschen 7700 Fahrzeuge.
Laut Franco Cimatti, Chief of Vehicle Concept and Pre-development Deptartment Ferrari GT, gibt es ihn noch, den Fahrspaß bei aller Globalität und Elektrifizierung. Das Ziel sei es aber auch bei Ferrari, den Wirkungsgrad zu verbessern.
Patrick Signargout, Vice President Car Manufacturers Relations und Co-operations PSA Peugeot Citroën sprach über den ersten Diesel Hybrid mit Allradantrieb. Die Hybridpalette bei PSA umfasse generell ein breites Spektrum vom Start-Stopp-System bis hin zum Elektrofahrzeug. Der zweitgrößte Hersteller Europas hat in diesem Jahr mit einem Flottendurchschnitt von 123 g/km den besten CO2-Wert in der EU erreicht. Modularität sei wichtig, um die Entwicklungskosten und -zeiten im Rahmen zu halten. Dennoch haben allein an der Hybrid 4-Entwicklung 500 Ingenieure mitgewirkt.
Die internationale Ausrichtung des Symposium fand ihren Höhepunkt in der Fachdiskussion „BRIC Märkte: Welches Getriebe- und Antriebskonzept für welche Fahrzeugklassen?“ mit Teilnehmern aus Indien, USA, Italien, Russland und Deutschland. Die Diskussion zeigte als einmal mehr, wie viel noch zu tun sei, damit die zahlreichen unterschiedlichen Getriebekonzepte dem Kostendruck gerecht würden. Es werde schon deshalb weiterhin so viele Konzepte geben, weil die globalen Marktanforderungen diese erfordern. Es gebe sehr kostensensitive Märkte wie Indien, wo die Automatikgetriebe noch viel Zeit bräuchten. . Beim russischen Markt stünden die Kraftstoffkosten weniger im Vordergrund als anderswo und Hybridtechnologie sei gar nicht vorhanden. China mit fast 100 Prozent Verbrennungsmotoren ist viel zu groß, um ein Konzept für alle zu etablieren. Zudem sei hier eine e-Mobility-Ernüchterung eingetreten. China brauche aber eine neue Technologie, um den Megatrends Herr zu werden. Globaler Service sei wichtig und auch die Fertigung sollte global erfolgen.